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Weiterbau Prag-Autobahn erneut ausgebremst

Der Autobahn fehlen zur durchgängigen Befahrbarkeit zwischen Dresden und Prag derzeit noch 12,7 Kilometer. Umweltschützer siegen vor Gericht. Jiří Šulc war einfach nur noch richtig sauer.

Der Verkehrs-Verantwortliche des Kreises Ústí (Aussig) äußerte seinen tiefen Frust in einem Radio-Interview, während sein Widerpart auf einer anderen Leitung, der Chef der Umweltschutzgruppe Děti Země, Miroslav Patrik, hörbar Zufriedenheit ausstrahlte: Ein Gericht in der nordböhmischen Metropole hat einmal mehr die Bauarbeiten am letzten fehlenden Teilstück der Prag-Autobahn gestoppt. Ein Umweltaktivist hatte erneut Zweifel an der Berechtigung der Zustimmung des Prager Umweltministeriums aus den 1990er Jahren zum Bau der Autobahn durch das landschaftlich geschützte Böhmische Mittelgebirge angemeldet. Das Gericht hatte für seine Entscheidung die damaligen Akten des Ministeriums angefordert. Die kamen auch, waren aber nicht vollständig. Sie müssen auch nicht mehr vollständig vorliegen, weil der Vorgang 17 Jahre zurückliegt und Dokumente dieser Art laut Gesetz nur zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Das verdeutlicht die zunehmende Absurdität der Streitigkeiten um die Autobahn.

Deti zeme hatte freilich stets darauf verwiesen, dass gerade die erste Ausnahmegenehmigung des Umweltministeriums für den Bau nicht hätte bewilligt werden dürfen. Die Organisation hält es angesichts der fehlenden und nicht neu zu beschaffenden Dokumente für den einzigen Ausweg, dass eine neue Unbedenklichkeitsprüfung vorgenommen werden muss. Dies würde laut Patrik dazu führen, dass alle Baukräne und Baumaschinen etwa acht Monate neuerlich still stehen. Das hätte zur Folge, dass die termingebundenen Finanzhilfen der EU für den Bau nicht mehr in Anspruch genommen werden könnten. Das würde den tschechischen Staatshaushalt belasten, müssten die Kosten doch von ihm übernommen werden.

Politiker wie Anwohner der derzeitigen Umgehungsstraßen zeigten sich schockiert von dem Urteil. Ein Sprecher des Umweltministeriums sagte der Zeitung Mlada fronta Dnes, die Situation für die Bürger dort sei wegen des hohen Verkehrsaufkommens und der damit einhergehenden Umweltbelastung schon lange untragbar. Für derart „irrelevante“ Klagen könne niemand mehr Verständnis aufbringen. Der Bürgermeister von Velemin, einer Ortschaft, die massiv vom Umleitungsverkehr betroffen ist, nannte den Richterspruch eine „Tragödie“. Die oberste Vertreterin des Bezirks Usti, Jana Vanhova, sagte, sie sei „aufgebracht“ durch den Gerichtsbeschluss.

Ungeachtet des Gerichtsurteils gehen die Bauarbeiten weiter. „Unsere Juristen prüfen das Urteil“, sagte die Sprecherin der Straßenbaudirektion, Nina Ledvinová, am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Die Regionalverwaltung in Ústí will gegen das Urteil Berufung einlegen. (Quelle: Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag)

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